2310 – Lektion 6 – Acrylstifte

Es tut mir leid, dass ich die letzte Woche krankheitsbedingt absagen musste und möchte mich an dieser Stelle herzlich für die Genesungswünsche bedanken.

Diesen Kurs mit seinen Bildern und Videos produziere ich immer sehr zeitnah, und analog zum „echten“ Kurs, so dass Krankheit tatsächlich ein Problem ist. Es verschiebt sich dadurch die letzte und 7. Lektion auf den 15. Dezember. Kommentare gebe ich noch ab für alles, was bis 23. Dezember 24:00 Uhr gepostet wird. Danach könnt ihr weiterhin Bilder posten und euch untereinander austauschen, nur ich schreibe keine Kommentare mehr dazu. Dieser Kurs bleibt noch bis Mitte Oktober 2024 zugänglich, wenn der übernächste Internetkurs beginnt.

Der nächste Kurs beginnt am 15. März 2024 und endet am 26. April 2024. Das sind 5 Kurseinheiten mit 2 Wochen Osterferien. Das Thema ist „Aquarell pur“, also so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir aktuell tun. Mehr Info dazu habe ich auf die Startseite gestellt.
Der Kurs kostet 89 Euro. Wer gerne daran teilnehmen möchte, schickt mir einfach eine formlose E-Mail.

Aber kommen wir nach diesem Zukunftsausblick wieder zurück zu unserem aktuellen Kurs.

In der letzten Lektion ging es ja um die wasserlöslichen Stifte. Ich hatte den Eindruck, dass das den meisten von euch bislang den größten Spaß gemacht hat. Gerade diese Wasserlöslichkeit ist wohl das, was dem ebenfalls wasserabhängigen Medium Aquarell am meisten entgegenkommt. Schön, dass einigen von euch dazu auch noch die Filzstifte eingefallen sind. Daran hatte ich selbst gar nicht gedacht. Aber gerade Filzstifte funktionierten sehr gut.

Zur Wiederholung möchte ich nochmal auf folgende Punkte hinweisen:

  • Es ist wichtig von welcher Richtung die Linien mit dem Pinsel aufgelöst werden: von innen, von außen, von beiden Seiten oder komplett.
  • Einige Linien sollten auch komplett aufgelöst bleiben.

Mit der Technik, dass man die farbige Linie nach außen auflöst, hatte ich den Eindruck, dass es endlich bei einigen von euch Klick gemacht hat und ihr die negative Form verstanden habt. Behaltet also immer „diese Lektion mit den Croissants“ in Erinnerung, wenn es um negative Formen geht, also eigentlich immer.

Negative Formen brauchen wir auch immer dann, wenn es um weiße Dinge geht. Klassischerweise malt man hinter ein weißes Ding, z.B. einem Schneemann etwas Dunkleres und geht mit dem Pinsel EXAKT am Schneemann entlang. Das werden wir auch weiterhin so halten. Aber es gibt manchmal Situationen, da ist das Aussparen zu kompliziert, oder mancher Effekt verlangt nach einer anderen Möglichkeit. In dieser Lektion befassen wir uns also mit den Acrylstiften.

Acrylstifte

Acrylstifte haben die Eigenschaft, dass sie eine sehr hohe Deckkraft haben. Sie sind nach dem Trocknen wasserfest. Man kann mit ihnen auf allen möglichen Untergründen schreiben und zeichnen, also auch auf gut getrockneten (!!!!) Aquarellen. So ist es ausnahmsweise einmal möglich, Hell auf Dunkel zu arbeiten, was im klassischen Aquarell nicht geht. Ich weise auch darauf hin, dass ein Aquarell mit diesen Acrylstiften kein reines Aquarell mehr ist, sondern als Mischtechnik gilt.

Leider trocknen diese Stifte ein, wenn man sie längere Zeit nicht benutzt.

Vorübung

Nimm mal ein altes Aquarell, das du nicht mehr brauchst, und suche dir darin einen möglichst dunklen Bereich. Darauf probiere mal deine Acrylmarker aus.

Tipp: diese Stifte haben so etwas wie eine Pumpe in der Spitze. Du musst ein paar Mal kräftig mit der Spitzte aufdrücken, bevor die Farbe fließt. Der erste Farbfluss – wenn der Stift neu ist oder auch länger in der Schublade lag – kann komisch sein, also vielleicht zu viel oder auch zu wenig Farbe. Deshalb empfiehlt es sich immer vor jedem Einsatz den Stift erst einmal auf einem Stückchen Schmierpapier einzuschreiben.

Übung „Blümchen“

Zeichne nebeneinander 2x die gleiche Gruppierung von Blümchen vor. Das einzelne Blümchen sollte ca. 10-Cent-Stück-groß sein oder sogar kleiner.

Über die 2. Gruppe male einfach mal ganz großzügig mit einer tollen, reinen, leuchtenden Aquarellfarbe hinweg, ohne auf irgendwelche Konturen zu achten. Die Konsistenz sollte so in etwa kräftiger Rotwein sein.

Während diese Farbfläche trocknet, beschäftige dich mit der 1. Gruppe. Hier malst du nun einfach ganz spießig Blümchen für Blümchen einzeln aus.

Dann wende dich wieder der 2. Gruppe zu. Deine Farbfläche sollte absolut trocken sein. Wenn nicht, dann kannst du die auch föhnen. Male nun mit deinem weißen Acrylstift alles an, was die Blümchen nicht sind.

Vergleiche nun mal diese beiden Gruppen miteinander. In welcher Version haben die Blümchen die hübschere Farbe?

Ich hoffe, dass du auch zu dem Ergebnis gekommen bist, dass die 2. Gruppe die schönere Blumenfarbe hat. Ich zitiere an dieser Stelle mal wieder eine schöne und wichtige Aquarell-Regel:

„Eine schöne Farbe braucht Platz!“

Aquarellfarbe sieht einfach nie richtig farbkräftig aus, wenn die bemalte Fläche zu klein ist. Das ist in allen anderen Maltechniken anders. Bei Acrylfarbe, Ölfarbe, Stiften etc. ist es völlig egal, wie groß eine Fläche ist. Nicht so beim Aquarell. Da ist die Farbintensität u.a. tatsächlich von der Flächengröße abhängig. Deshalb reagiere ich oft so ein bisschen säuerlich, wenn ihr irgendwelche kleinen Blümchen einzeln malt. Da sieht einfach die Farbe nicht gut aus. Ich versuche eigentlich immer, viele kleine Flächen zu einer großen zusammenzufassen, und dann die Trennung der einzelnen Objekte z.B. Blümchen mit negativen Formen zu machen. In der Regel wird die negative Form mit dunklem Hintergrund und dunklen Zwischenräumen gemacht. Wenn nun aber der Hintergrund hell ist, und das Objekt eigentlich positiv ist, dann habe ich ein Problem mit dem Zusammenfassen von kleinen Flächen. Das ist dann u.a. eine Einsatzmöglichkeit von Acrylstiften. Oder auch Deckweiß.


Bild „Kakteen“

In diesem Angebot von Kakteen haben wir nun Blüten mit vielen filigranen Blütenblättern. Aufgrund der Übung von vorhin hast du hoffentlich schon die Idee, dass man den Blüten einfach nur großflächig eine wunderschön leuchtende Farbe geben sollte, und die eigentliche Form negativ herausarbeiten. Der Hintergrund ist hier dunkel. Also funktioniert das mit der klassischen negativen Form. Die Acrylstifte können hier an folgenden Stellen zum Einsatz kommen: die weißen Pickel an den Kakteen, Helligkeiten auf den Blütenblättern und Blumentopfrändern, die Preisschilder. Bei den Stacheln würde ich von Acrylstiften abraten. Die Stacheln sind zu filigran dafür. Da empfehle ich eher einen weißen Buntstift oder einen weißen Gelstift.

Zunächst zeichne ich die Pflanzen minimalistisch vor – nur um einen groben Anhaltspunkt zu haben wo was ist. Dann mache ich mein übliches Farb-Chaos.

Wenn das getrocknet ist, zeichne ich mit meinem roten Füller die Konturen der Kakteen. Es muss nicht unbedingt der Füller sein. Mit dem hat es mir in der letzten Lektion großen Spaß gemacht. Deshalb verwende ich den hier nochmal. Es reicht aber genauso ein Bleistift oder irgendein anderer Stift. Ich gebe dann den einzelnen Pflanzen eine leichte negative Form. Innerhalb der Kakteen unterscheide ich zwischen helleren und dunkleren Bereichen, z.B. um diese Längs-Knicke darzustellen.

Dann mache ich extrem dunkle Zwischenräume und Hintergrund.

Wenn alles trocken ist, kann ich mit anderen Stiften drauf gehen. Ich zeichne zunächst ein paar Stacheln mit weißem und roten Buntstift.

Zum Schluss mache ich mit einem weißen Acrylmarker die weißen Pickel. Aus diesen Pickeln ziehe ich noch weitere Stacheln heraus. Ich habe einen recht dünnen Arylmarker gefunden. Damit lassen sich auch so feine Linien wie Stacheln ziehen.


Bild „Tönning“

Ich stehe ja auf die sogenannten „bunten Schatten,“ also ich lasse innerhalb einer Schattenform gerne mehrere Farben zusammenlaufen. Auch das ist wieder so ein Fall, wo die Aquarellfarbe einfach entsprechend viel Platz braucht, um schöne Farbverläufe selbstständig produzieren zu können.

Hier werfen nun die Laubbäume einen Schlagschatten – was einen wesentlichen Teil des Flairs des Bildes ausmacht. Dieser Schatten hat eine ziemlich komplizierte Form und auch noch einige Lücken darin. Ich kann im Aquarell aber nicht beides haben: komplizierte Form und schöne Farbe. Also ist meine Lösung, dass ich den Schatten völlig formlos male, so dass ich die Farben toll laufen lassen kann. Die zerrupfte Form und die Lücken bekommt der Schatten erst später, indem ich mit dem hellen Acrylmarker außen herum und in den Lücken male.

Natürlich beginne ich auch hier erstmal mit einem farblichen Chaos. Die Häuser waren minimal vorgezeichnet. Beim Schatten auf der Straße achte ich einfach bloß auf eine schöne Farbe, nicht aber auf seine Form oder die weißen Löcher darin. Nach und nach füge ich dem Bild immer mehr Dunkelheiten hinzu. Vor allem in den Gegenden, in denen ich plane, etwas Weißes mit Acrylstift draufzuzeichnen, mache ich dunkel, z.B. die Gegend der Bank oder die Fenster.

Wenn alles gut trocken ist, kann ich mit dem Stift dann diese weißen Flecken in den Schlagschatten setzten und dem Schlagschatten seine komplizierte Form geben.

Ich habe beschlossen, dass das 2. Haus die wichtigste Ebene sein soll, also bekommt nur dieses Haus weiße Fensterrahmen. Alle anderen Häuser müssen mit angedeuteten Fenstern auskommen.


Bild „Kirchenfenster“

Hier noch ein Motiv für Tüftler. Bei den Figuren in den Glasfenstern handelt es sich ja eigentlich um positive Formen. Und auch die Linien von der Blei-Einfassung könnte man eigentlich einfach drauf malen. Eigentlich. Ich möchte es hier genau anders herum angehen. Denn ich möchte leuchtende Farben in den Gewändern. Und die Blei-Einfassungen sehen in dieser Gegenlichtsituation etwas „überstahlt“ aus. Für mich wäre das in meiner sonstigen Malweise ein Fall für Abdeckmittel. Hier möchte ich es aber mit den Acrylstiften probieren.

Ich zeichne doch relativ detailliert vor, denn meine Erfahrung ist, dass gotisches Maßwerk doch besser aussieht, wenn man es genau so macht, wie es tatsächlich ist und man auch versucht zu verstehen, wie das aufgebaut ist. Der Mittelgang hat eine Zentralperspektive. Die Kirchenbankränder laufen auf einen Punkt zu, der sich etwas oberhalb vom Altar befindet. Den Christbaum habe ich versetzt und das rechte Fenster weggelassen.

Ich male zunächst mal so eine grobe Farbillusion von den bunten Heiligen im Fenster, ebenso wie viele andere Farbe in der Kirche. Dann werde ich an den Bildrändern allmählich dunkler, indem ich die Säulen male und die Dunkelheit für die Kirchenbänke. Auch der Christbaum ist sehr dunkel. Für die bunten Lichter tupfe ich Magenta und Gelb in die noch nasse Christbaum-Farbe.

In den Fenstern ziehe ich mit Aquarellfarbe und einem dünnen Pinsel Linien für die Blei-Einfassungen.

Im Mittelgang male ich ein paar Fugen zwischen die Steine. Ich habe ja in den vergangenen Lektionen einige von euch kritisiert wegen falscher Perspektive im Straßenbelag. Seht ihr, wie ich hier die Linien auf den gleichen Fluchtpunkt zulaufen lasse wie die Kirchenbänke?

Und ganz zum Schluss knipse ich das Licht an: Ich setzte jeweils einen weißen Punkt mit meinem Acrylstift wo die Glühbirnchen der Christbaumbeleuchtung sind.

Im Fenster male ich mit dem Acrylstift jede einzelne Scheibe aus. Nur die Heiligen bleiben verschont, bzw bekommen dadurch ihre Form. Die vorher gezogenen dunklen Linien werden dadurch dünner, und so entsteht die Illusion, dass das Gegenlicht diese Linien überstrahlt.


Deine Aufgabe:

  • Probiere einfach mal deine Acrylstifte aus.
  • Mache die Übung mit den Blümchen (oder irgendwelchen anderen Formen), einfach um zu verstehen, dass man auch mit deckendem Weiß eine negative Form machen kann.
  • Suche dir ein Motiv, in dem du nachträgliche Helligkeit reinbringen möchtest. Das kann etwas ganz Simples und Offensichtliches sein wie z.B. Schnee auf Bäumen. Es kann aber auch etwas Komplizierteres sein, wo du mal um mehrere Ecken negativ denken musst. Das kann eine echte Denksportaufgabe sein.
  • Dann viel Spaß beim Tüfteln.