2201 – Lektion 9 – Tropfen

Mir scheint, ihr habt gleich mal eure guten Vorsätze in die Tat umgesetzt, und eure Bilder zeitnah und mit viel Enthusiasmus gemalt. Mir war ja wichtig, dass wir die Form eines Gewässers noch richtiger schaffen. Im Großen und Ganzen hat das auch gut funktioniert, und ihr habt erkannt, dass die Uferränder am vorderen Formatrand sehr weit auseinander sind, und dann nach hinten in die Waagerechte übergehen. Der Punkt, an der die schräge Kurve in die Waagerechte übergeht, liegt ziemlich nahe am Horizont. Auch einzelne Buchten sind solche asymptotischen Kurven und gehen in die Waagerechte über.

Häufig kritisiert habe ich, dass zu wenig auf den extremen Größenunterschied zwischen den Dingen vorne z.B. Gräser, Schneehäufen o.ä. geachtet wurde. Also bitte bedenkt bei zukünftigen Bildern – nicht nur, wenn Bäche drauf sind, dass die Größenunterschiede zwischen vorne und hinten EXTREMST (!!!) sind.

Heute kommen wir nun zum kleinsten aller Gewässer: den Tropfen.

Video 9.1. Hallo aus der Dusche

Wasser hat Oberflächenspannung. Das bewirkt, dass Wasser ab einer gewissen Größe bzw Kleinheit nicht mehr in die Waagerechte übergeht, sondern eine Kugel formt. In dieser Kugel wird das Licht anders gebrochen als in der Luft. Deshalb kommt es zu einigen eigenartigen Phänomenen. Die schaust du dir am besten mal life an, indem du einen Wassertropfen auf irgendeinen Gegenstand gibst und ihn genau betrachtest.

  • Wassertropfen sind durchsichtig, also man sieht die Farbe des Untergrundes durch.
  • Die Helligkeit ist unten – anders als bei undurchsichtigen Objekten.
  • Die Dunkelkeit ist oben – anders als bei undurchsichtigen Objekten.
  • Im oberen Bereich gibt es, je nach Lichtquelle, einen oder mehrere Lichtreflexe – genau wie bei undurchsichtigem Objekten.
  • Unter dem Tropfen liegt ein Schlagschatten – genau wie bei undurchsichtigem Objekten.

Dies hört sich kompliziert an, geht aber in Aquarell verblüffend einfach.

Übung
Einen Tropfen malen

Video 9.2. Einen Tropfen malen
  1. Einen Kreis vorzeichnen.
  2. Abdeckmittel in den unteren Kreisring, und 2 – 3 Tupfen in der oberen Hälfte. Abdeckmittel trocknen lassen.
  3. Alles mit einer relativ dünnen Farbe gleichmäßig anmalen. Dabei den Tropfenrand völlig ignorieren. Trocknen lassen.
  4. Innerhalb des Tropfens einen Farbverlauf von oben dunkel nach unten hell malen.
  5. Unterhalb des Tropfens ebenfalls einen Farbverlauf von dunkel direkt am Abdeckmittelrand nach außen hell malen. Das ist der Schlagschatten.
  6. Innerhalb des Tropfens im unteren Bereich die Farbe mit einem harten Pinsel aufhellen. Die Fläche sollte vorher getrocknet sein.
  7. Abdeckmittel entfernen.
  8. Im Tropfen mit einem harten Pinsel die harte Kante zwischen dem Abdeckmittel-Weiß und der bemalten Fläche absoften.

Nun müsste ein fast fotorealistischer Tropfen entstanden sein.

Mit dieser Technik kann du nun alles mögliche, z.B. Blumen und Blätter wunderbar mit Tautropfen oder Regentropfen versehen. Bei mehreren Tropfen auf einem Bild kannst du natürlich all die Arbeitsschritte parallel machen, so dass das gar nicht so viel Aufwand ist. Nichtsdestotrotz sollte die Anzahl der Tropfen in einem bewältigbaren Rahmen bleiben. Die Tropfengröße sollte auch in einem logischen Größenverhältnis beispielsweise zur Blume sein. Tropfen können zwar unterschiedlich groß sein, jedoch ist ihrer Größe eine Obergrenze gesetzt.


Bild „Windschutzscheibe“

An Glasscheiben (Fenster, Dusche, Windschutzscheibe etc) kann man Tropfen schön studieren. Hier vereinen sich oft mehrere Tropfen, so dass sie nicht notwendigerweise immer rund sein müssen. Manchmal werden die Tropfen so schwer, dass sie an der Scheibe in einem Strang hinunterrinnen. Auch in diesen unregelmäßigen Tropfen und den Rinnsalen ist die Helligkeit unten und die Dunkelheit oben.

Statt dieses Motivs lässt sich ein x-beliebiges Motiv verwenden, vorzugsweise ein Straßenbild – das aber sehr, sehr unscharf sein sollte. Denn bei zu großem Detail hinter der Scheibe würde man die Tropfen nicht mehr sehen.

Diese beiden Bilder habe ich ausnahmsweise mal nicht selber fotografiert, sondern sie mir aus dem Internet heruntergeladen. Für mein Aquarell verwende ich beide Bilder als Vorlage. Beim rechten Bild gefallen mir die Autos besser. Beim linken sind die Tropfen mit den Rinnsalen schöner, und außerdem finde ich, dass eine Spiegelung der Rücklichter auch noch die Regenstimmung verstärkt.

Video 9.3. Malen “Regennasse Windschutzscheibe”

Die Autos zeichne ich nicht vor. Die sollen auf gar keinen Fall zu detailliert werden. Eigentlich definieren sie sich bloß durch ein paar Rücklichter und einer Dunkelheit dazwischen und darunter.

Ich zeichne nur die Tropfen vor. Wie in der Übung gebe ich Abdeckmittel in die untere Rundung der Tropfen. Das Abdeckmittel lasse ich völlig trocknen.

Dann erst mache ich das Papier gleichmäßig nass … wie letzte Woche, schön gleichmäßig sollte das Wasser ins Papier eingesogen sein, nicht zu nass, sondern einfach gleichmäßig feucht.

Nun muss alles ganz schnell gehen. Die nächsten Arbeitsschritte sollten innerhalb von Minuten beendet sein:

Ich male gelbe Kreise um die Rücklichter. Damit das Gelb nicht in die Helligkeit des Lichtes läuft, tupfe ich das Zentrum des Lichtes mit Küchenkrepp trocken. Um diese gelben Kreise male ich orange Kreise. Um die orangen Kreise male ich rote Kreise. Den Rest des Bildes male ich grau an. Ich achte darauf, dass das Grau mit dem Rot zusammenfließt. Zwischen die Lichter male ich noch dunkleres Grau (das sollen die Rückscheiben sein) und unter den Lichtern male ich ebenfalls dunkles Grau (das ist die Dunkelheit unterhalb der Stoßstange, einschließlich Rädern und Schatten auf der Straße). Wenn das die Feuchtigkeit noch erlaubt male ich noch rote senkrechte Steifen unterhalb der Rücklichter. Das alles sollte so schnell stattfinden, dass der Untergrund bis zum letzten Schritt gleichmäßig nass ist.

Danach hat man Pause, denn das Bild muss nun gut durchtrocknen. Es wird heller trocknen als es während des Malens ausgesehen hat.

Wenn das Bild dann trocken ist, male ich die Dunkelheiten in die Oberseiten der Tropfen und auf eine Seite der Rinnsale. Welche Seite das ist, entscheide ich willkürlich.

Dann entferne ich das Abdeckmittel. Die entstandenen harten Ränder, softe ich mir einem harten Pinsel ab. Auf Schlagschatten unterhalb der Tropfen sollte man verzichten, denn auf Glasscheiben gibt es keinen Schlagschatten.

Diese Windschutzscheiben-Bilder wirken vor allem aus der Entfernung.


Bild „Frauenmantel“

Auf der haarigen Oberfläche der Frauenmantelblätter schnurrt Wasser durch den sog. Lotus-Effekt besonders schön zu glitzernden Kugeln zusammen.

Ich zeichne ausnahmsweise mal sehr detailliert vor, denn die Blätterform des Frauenmantels sollte schon stimmen. Ich überlege auch sehr genau, wo Tropfen sein können, und wie groß sie sind. Oft sammeln sich die Tropfen entlang der Adern, wo das Blatt einen Knick nach unten macht. Entlang des Blattrandes sind ganz klitzekleine Tröpfchen. In der Blattmitte ist ein großer Tropfen. Der ist so groß, dass es hier sogar angemessen ist, die Spiegelung darin etwas detaillierter zu machen als bei den anderen.

Wenn ich mir also darüber im Klaren bin, wo und in welcher Größe die Tropfen liegen, dann trage ich das Abdeckmittel an den Tropfen-Unterseiten auf. Völlig trocknen lassen.

Der Sinn von Abdeckmittel ist ja, dass man dann völlig frei und wild herumpritscheln kann und keine Rücksicht auf eventuelle weiße Stellen nehmen muss. Also tue ich das auch! Ich habe hier das Papier nicht nass gemacht. Ich male mit den grünlichen Farben so nass und schnell, das sie trotzdem ineinander fließen, wenn sie sich gegenseitig berühren. Dabei ignoriere ich völlig die Blattränder, sondern male voll über die Konturen hinaus in den Hintergrund hinein.

Ich lasse das Bild trocknen. Dann schattiere ich die Blätter ein bisschen. Indem ich den Hintergrund dunkel male und diese Dunkelheit bis exakt an die Blattränder male, bekommen die Blätter ihre Form ( = „Negative Form“).

Dann bekommen die Tropfen alle eine Dunkelheit an ihrer Oberseite. Diesmal brauchen die Tropfen an der Unterseite einen Schatten.

Dann entferne ich das Abdeckmittel. Mit einem harten Pinsel softe ich die harte Trennung zwischen den reinen Weiß und der dunklen Farbe ab. Das ist eine relativ langwierige Arbeit, das in jeden einzelnen Tropfen zu machen. Deshalb ist es eine gute Idee, von vorn herein nicht allzu viele Tropfen zu planen.


Deine Aufgabe:

  • schau dir mal Tropfen genau an und versuche die Phänomene zu sehen, die ich eingangs beschrieben habe. Wenn du unter der Dusche stehst, schau dir doch mal die die Tropfen auf der Duschkabine oder den Fließen an!
  • Mach die „Übung – Tropfen.“ Das brauchst du nicht zu posten. Aber die Übung ist notwendig, um zu verstehen, und um zu sehen, dass es tatsächlich sehr einfach geht.
  • Suche dir ein Motiv, auf dem entweder Tropfen zu sehen sind, oder das du selbst mit Tropfen versiehst. Achte aber unbedingt darauf, dass das Motiv sehr sehr schlicht ist, damit die Tropfen nicht von anderem Detail übertrumpft werden!
  • Male das Bild und poste es.

Ich bin schon neugierig, was ihr so alles findet, um es mit Wassertropfen zu versehen!